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Nationaler Bildungsbericht 2024 zeigt dringenden Handlungsbedarf auf

Fazit: unterfinanziert, ungerecht, unterbesetzt und unerforscht

Der Nationale Bildungsbericht 2024 präsentiert wenig überraschende, aber alarmierende Erkenntnisse vom deutschen Bildungssystem. Die Diagnose ist eindeutig: Das System ist unterfinanziert, sozial ungerecht, personell unterbesetzt und wissenschaftlich unzureichend erforscht. Diese Problemlage spiegelt sich auch in der täglichen Arbeit der Regionalen Entwicklungsagentur Hessen beim Auf- und Ausbau kommunaler Bildungslandschaften sowie in vielen Projekten ihres Trägers involas wider.

Kernprobleme des Bildungssystems

  • Unterfinanziert: Trotz eines Anstiegs der Bildungsausgaben auf 264 Milliarden Euro im Jahr 2022 sind die Investitionen relativ zur Wirtschaftsleistung seit 2012 kaum gestiegen und machten 2022 lediglich 6,8 Prozent des BIP aus.
  • Ungerecht: Die soziale Herkunft bleibt ein entscheidender Faktor für den Bildungserfolg. Kinder aus Familien mit Einwanderungsgeschichte und Kinder von Alleinerziehenden sind besonders benachteiligt.
  • Unterbesetzt: Der Fachkräftemangel ist in allen Bildungsbereichen gravierend. Dies betrifft insbesondere die frühkindliche Bildung, wo der Personalbedarf in Westdeutschland bis 2035 nicht gedeckt werden kann.
  • Unerforscht: Es liegen keine validen Daten zur Wirksamkeit von Maßnahmen in der Berufsorientierung und im Übergangsbereich vor, was eine evidenzbasierte Steuerung erschwert.

Spezifische Herausforderungen und Entwicklungen

Alleinerziehende haben es besonders schwer, Beruf und Familie zu vereinbaren. Knapp drei Viertel aller alleinerziehenden Mütter und 83 Prozent der alleinerziehenden Väter sind erwerbstätig, wobei die Teilzeitquote bei Müttern mit 58 Prozent deutlich höher ist als bei Vätern (15 Prozent). Des Weiteren sind 60 Prozent der Kinder aus Familien mit Einwanderungsgeschichte und mehr als die Hälfte der Kinder von Alleinerziehenden von mindestens einer Risikolage betroffen, was ihre Bildungschancen erheblich beeinträchtigt. Hinzu kommt der Personalmangel in der Kinderbetreuung. Auch wenn der Ausbau der Kindertageseinrichtungen voranschreitet, reicht die Zahl der pädagogischen Fachkräfte in Westdeutschland bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Auch der Bedarf an Ganztagsplätzen bleibt insbesondere in Grundschulen hoch. Dabei nutzen etwa die Hälfte aller Schüler ganztägige Bildungsangebote – trotz eines abflauenden Ausbaus.

Berufliche Bildung und Übergang in den Arbeitsmarkt

Die Zahl der Neuzugänge im dualen System ist gegenüber 2021 wieder gestiegen, liegt jedoch weiterhin unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Immerhin überstieg erstmals seit 1995 die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze die Nachfrage. Dennoch bestehen weiterhin Passungsprobleme, welche die Fachkräftesicherung beeinträchtigen. Darüber hinaus bleiben soziale Disparitäten beim Zugang zur Ausbildung und beim Ausbildungserfolg bestehen. Jugendliche mit maximal erstem Schulabschluss und/oder nichtdeutscher Staatsangehörigkeit haben deutlich geringere Chancen auf eine vollqualifizierende Ausbildung. Dabei spielt der Übergangssektor eine wichtige Rolle bei der Integration von Geflüchteten.

Akademisierung und Weiterbildung

Der Akademisierungsprozess stagniert, und die inländische Studiennachfrage geht zurück. Die Nachfrage nach akademisch qualifizierten Fachkräften bleibt allerdings hoch, insbesondere in MINT-Berufen. In der Weiterbildung haben sich digitale Lernformate stark etabliert. Fast 50 Prozent der beruflichen Weiterbildungen finden mittlerweile überwiegend oder vollständig online statt. Gleichzeitig haben Weiterbildungseinrichtungen Schwierigkeiten, qualifiziertes Lehrpersonal zu finden.

Qualität und Evaluation

Die Qualität der beruflichen Bildung wird nicht systematisch gesteuert und evaluiert. Es gibt beachtliche Entwicklungspotenziale für eine evidenzbasierte Steuerung. Demgegenüber steht die Tatsache, dass eine hohe Qualität zur Attraktivität von Bildungsangeboten und zur Bereitstellung der auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen beiträgt.  Vor dem Hintergrund der Qualifikationsniveaus und deren Folgen wird dieser Missstand umso eklatanter: Der Anteil der formal gering Qualifizierten unter den 25- bis 35-Jährigen bleibt mit 17 Prozent hoch. Kinder von formal gering qualifizierten Eltern haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, selbst keinen beruflichen Abschluss zu erwerben.

Der Nationale Bildungsbericht wird alle zwei Jahre erstellt. In Kooperation mit dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V., dem Deutschen Jugendinstitut e.V., dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW), dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), dem Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI) und den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder veröffentlicht das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation ihn im Auftrag von Bund und Ländern als systematische Bestandsaufnahme des gesamten Bildungswesens in Deutschland. In diesem Jahr hatte der mittlerweile zehnte Bildungsbericht den Schwerpunkt Berufliche Bildung.

Das DIPF hat eine Sonderseite zum Bildungsbericht gestaltet, worauf auch eine Kompaktfassung sowie der der komplette Bericht zum Download angeboten werden.

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