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Vortrag Susanne Dähner

Unter dem Titel "Wandel in neuen Räumen denken: Herausforderungen zwischen Schrumpfen und Wachsen" hielt Susanne Dähner vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung einen Vortrag. Hier skizzierte sie die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur in Deutschland und insbesondere in Hessen und umriss ihre Bedeutung für den Bildungsbereich.

"Wir werden weniger, wir werden älter, wir werden bunter"

Entgegen langjähriger Prognosen schrumpft die Bevölkerung in Deutschland aktuell nicht mehr, sondern wächst. 2017 lebten 82,8 Millionen Menschen in Deutschland und damit mehr als je zuvor. Dafür ist vor allem die Zuwanderung verantwortlich. Denn obwohl die Geburtenzahlen ansteigen, sterben weiterhin mehr Menschen in Deutschland als Kinder geboren werden.

Regionale Unterschiede zwischen Wachsen und Schrumpfen

Die Bevölkerungsentwicklung verteilt sich nicht gleichmäßig im Land, vor allem die urbanen Zentren wachsen, während die ländlichen Regionen Einwohner verlieren. In Hessen ist dies besonders sichtbar: Der Süden verzeichnet mit seinen Großstädten einen deutlichen Zuwachs (von 2000 bis 2016 Frankfurt und Darmstadt + 15 Prozent), die nordhessischen Kreise verlieren mehrheitlich Einwohner (Vogelsbergkreis - 10 Prozent im gleichen Zeitraum). Bis 2030 wird eine Fortentwicklung dieser Trends prognostiziert. So dürfte der Vogelsbergkreis um weitere 14 Prozent schrumpfen, während Frankfurt ein Wachstum von 17 Prozent vorhergesagt wird.

Abwärtsspirale der Versorgung und weiterer Fachkräfteengpässe

Vor allem junge Menschen verlassen nach der schulischen Ausbildung die ländlichen Regionen, um in den Städten ein Studium aufzunehmen. Mit der Abwanderung verschlechtert sich auch die Versorgung, weil sich Läden, Restaurants oder auch der Nahverkehr nicht mehr wirtschaftlich rechnen; auch Ärzte finden kaum Nachfolger. Gleichzeitig sinkt das Potenzial an Menschen im erwerbsfähigen Alter. Die sogenannten Babyboomer gehen demnächst in Rente und hinterlassen eine große Lücke auf dem Arbeitsmarkt. Denn ab 2030 ist der Jahrgang, der ins Erwerbsalter reinwächst, nur noch halb so groß, wie der, der das Arbeitsleben verlässt.

Bildung als Standortfaktor für sich verändernde Regionen

Die Attraktivität von Wohnstandorten ist sowohl in den Städten als auch auf dem Land gerade für Familien abhängig von Bildungs- und Betreuungsangeboten. Auch für die Fachkräftesicherung ist das Angebot von Berufsbildung und -qualifizierung maßgeblich. Vor allem im Weiterbildungssektor könnten vorhandene Potenziale, wie ältere Arbeitnehmer, besser genutzt werden. Darüber hinaus spielen für ländliche Regionen die Strukturen und die Qualität des Ehrenamts eine große Rolle, hier kann gezielt unterstützt werden.

Vortrag Susanne Dähner "Wandel in neuen Räumen denken: Herausforderungen zwischen Schrumpfen und Wachsen" (PDF 1,7MB)


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Vortrag Prof. i.R. Dr. Klaus Klemm

 

Die Entwicklungsperspektiven kommunaler Bildungssysteme in Zeiten demographischer Umbrüche präsentierte der Bildungsforscher Prof. i. R. Dr. Klaus Klemm in einem Vortrag. Aus dem Wandel resultieren nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf regionaler und auf kommunaler Ebene Herausforderungen. Diese sind im Bereich der frühkindlichen Bildung in Hessen bereits heute sichtbar: Hessen hat nicht nur die Betreuungsquote nicht erreicht, auch fehle es weiterhin an Personal und Räumlichkeiten. Dass folglich keine Kita oder Grundschule in Hessen geschlossen werden müsse, sei jetzt schon zu konstatieren, so Klemm.

Der hohe Stellenwert, den die frühkindliche Bildung hat, wurde am Beispiel Wiesbaden veranschaulicht. Hier zeigen die Bildungsdaten den Zusammenhang von Kitabesuchsdauer und Schulabschlüssen, insbesondere bei Kindern aus Zuwandererfamilien. Auch für die Schulbildung sieht der Bildungsforscher eher schwierige Entwicklungen: So führen auf Personalseite absehbare Pensionierungen und steigende Schülerzahlen zu Lehrkräftemangel, und auf der Raumseite ist es für Großstädte aktuell schon problematisch, neue Flächen für den Schulbau zu erschließen. Das Themenfeld Inklusion schätzt Prof. Klemm für Hessen als mindestens ebenso bedenklich ein. Obschon Inklusion nachweislich positiv auf den Lernerfolg wirkt, ist Hessen eines von drei Bundesländern, in dem die Anzahl der Förderschulkinder gestiegen ist. Auch an Hauptschulen könnte eine gezielte Förderung den derzeitigen Anteil von 10% der Schülerschaft, der die Mindeststandards für den Hauptschulabschluss von Neuntklässlern nicht erreicht, minimieren.

Da trotz steigender Geburten- und Zuwandererzahlen ein Fachkräfte- und Akademikermangel absehbar bleibt, schloss Klaus Klemm seinen Vortrag mit vier Forderungen ab:

  1. die Stärkung von vorschulischer Bildung,
  2. Förderung in Ganztagsschulen,
  3. Ausbau der Inklusion,
  4. Maßnahmen zur Einstiegsqualifizierung und ausbildungsbegleitende Hilfen.

Vortrag Prof. i.R. Dr. Klaus Klemm "Perspektiven der Entwicklung kommunaler Bildungssysteme in Zeiten demografischer Umbrüche"
(PDF 732KB)


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Vortrag Dr. Sebastian Muschter

Gestalten statt Verwalten – keine Angst vor dem Wandel

Als Experte für die Umgestaltung interner Prozesse in Organisationen in Zeiten des Wandels, hielt Dr. Sebastian Muschter den Abschlussvortrag. Im Zentrum standen seine Erkenntnissen zu strukturellen Veränderungen in Verwaltungen, die er als kommissarischer Leiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSO) in Berlin in der Zeit der verstärkten Zuwanderung Geflüchteter gewonnen hat. Der promovierte Wirtschaftsinformatiker ließ hier Erfahrungen aus seiner Zeit in der freien Wirtschaft in das Krisenmanagement der Behörde einfließen. Dadurch wurden Abläufe und Prozesse der Registrierung, Verwaltung und Koordinierung beschleunigt und trugen zur Umstrukturierung und Neuorganisation von externen Kooperationen wie auch der internen Zusammenarbeit bei.

Dr. Muschter fasste seine Empfehlungen in drei zentrale Thesen zusammen:

  1. Kultur vor Ort ist gestaltbar.
    Mit kleinen Mitteln ist auch eine langjährig gewachsene Kultur in Institutionen veränderbar – ob durch effizientere Gestaltung von Besprechungen, die Einführung kleiner Projekte der fachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit oder die Aktivierung von langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für neue Aufgaben.
  2. Die Außenwelt will helfen - sie muss man stärker einbinden.
    Die Bekanntmachung und Vernetzung nach außen ist unverzichtbar, um sowohl Wissen zu bündeln als auch gegenseitiges Verständnis und Unterstützung zu sichern. Insbesondere Führungskräfte müssen hier auftreten, um Verbindungen herzustellen.
  3. Die Kluft zwischen Politik und Verwaltung überwinden
    Zwar besteht eine spezifische Rollenaufteilung – Politik beschließt, Verwaltung führt aus – jedoch fehlt es der Politik nicht selten an Wissen um die Umsetzbarkeit und Grenzen von beschlossenen Maßnahmen, und ist daher auf Empfehlungen, Expertenwissen und konstruktive Vorschläge aus der Verwaltung angewiesen.

Entlang dieser drei Thesen erläuterte er verschiedene kleinere und größere Maßnahmen, wie Organisationen, insbesondere Verwaltungen, auf veränderte Anforderungen reagieren und sich intern umgestalten können.


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Gesprächsrunde: Wandel im Dialog

Wandel im Dialog: Wachsende und schrumpfende Bildungsregionen im Blick

Die beiden Redner vom Vormittag, Susanne Dähner vom Berlin Institut und der Bildungsforscher Prof i.R. Dr. Klaus Klemm, diskutierten gemeinsam mit dem Darmstädter Statistiker Günther Bachmann und dem Moderator Peter Hanack nach der Mittagspause in einer Expertenrunde. Hier wurden die verschiedenen Möglichkeiten der Datenbeschaffung ausgelotet und wie diese bildungsbezogenen Daten für eine bedarfsgerechte Steuerung verwendet werden können. Am Beispiel Darmstadt wurden die Vorteile einer abgeschotteten Statistikstelle deutlich. Hier konnte ein Frühwarnsystem für Schülerzahlen etabliert werden, und der dortige Bildungsbericht ließ die Verantwortlichen ein neues Gebiet identifizieren, in dem Bildungsarmut und soziale Belastungslage zusammenkommen. Alle drei Fachleute waren sich aber einig, dass allgemeine Trends auch mit weniger detaillierten Daten prognostizierbar sind. Die Tendenz verschiedener Wanderungsbewegungen wurde außerdem thematisiert. Dabei gewinne das direkte Umland von großen Städten, der weiter entfernte ländliche Raum hingegen falle ab. Diesem Trend folgten verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlich. Insofern sei es unerlässlich, die Datenlage möglichst genau zu analysieren, um die entsprechenden Maßnahmen passgenau einzuleiten.

 

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