Was ist gerecht? Was ist machbar? Bildungschancen vor Ort erhöhen
Art: | Hybrid-Fachtag |
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Ort: | Design Offices Frankfurt, 60329 Frankfurt a.M., Wiesenhüttenplatz 25 |
Datum: | 28.09.2021 |
Uhrzeit: | 10:00 – 16:00 Uhr |
Bildung gerecht gestalten: Diesem kommunalen Anspruch ist nicht erst seit der Corona-Pandemie schwer nachzukommen. Wunsch und Wirklichkeit liegen häufig weiter auseinander. Oftmals wird der Begriff der Bildungsgerechtigkeit herangezogen, wenn es um den Aufbau und die Etablierung von Bildungslandschaften und den damit verbundenen Instrumenten und Methoden des DKBM geht. Dieser Verbindung wurde im vergangenen (hybriden) Fachtag nachgegangen und nach über sechs Jahren Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement Bilanz gezogen. Im Zentrum der Veranstaltung stand die Frage:
Wie ist es bestellt mit der gerechten Bildung in der kommunalen Landschaft?
Grußwort
Dr. Andrea Ruyter-Petznek, Bundesministerium für Bildung und Forschung
Aus Anlass des Fachtags hat Dr. Andrea Ruyter-Petznek, Leitung des Referats "Bildung in Regionen; Bildung für nachhaltige Entwicklung" im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein Grußwort gesprochen. In diesem wird sowohl auf die Bedeutung eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements zur Bewältigung aktueller und kommender Herausforderungen eingegangen, als auch auf die Sicherung der Arbeit der Transferinitiative über die Etablierung eines Bildungsportals. Des Weiteren wird das vom BMBF geplante ESF Plus-Programm "Bildungskommunen" vorgestellt. Es soll Landkreise und kreisfreie Städte bei der Weiterentwicklung ihrer Bildungslandschaft unterstützen. Dabei geht es um die Bewältigung drängender Herausforderungen im Bildungsbereich: von der Digitalisierung über den Aufbau neuer Kooperationen und Angebote (etwa im Rahmen der Ganztagsbetreuung) bis hin zum Ausbau zukunftsträchtiger Bildungsthemen.
Impulse und Diskussion aus drei Perspektiven
Online-Übertragung
Impuls Dr. Raphaela Schlicht-Schmälzle, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt am Main
Im ersten Impuls des Tages ging Dr. Raphaela Schlicht-Schmälzle vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt am Main, den Fragen nach: "Wie muss gerechte Bildung aussehen, um künftige Herausforderungen bewältigen zu können? Und was ist eigentlich ungerecht in der Bildung?"
Dr. Raphaela Schlicht-Schmälzle hat an der Universität Konstanz in Politik- und Verwaltungswissenschaften studiert und promoviert.
Beim Leibniz Institut Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung arbeitet sie an der Evaluation politischer Bildung.
Schwerpunkte ihrer Forschung sind die soziale Bildungsungleichheit, die politische Bildung, Global Citizenship Education und der internationale Vergleich.
Impuls Prof. Dr. Axel Plünnecke, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Köln
Im Anschluss erörterte Prof. Dr. Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Köln, die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik, um Bildung gerechter zu machen. Im Zentrum seines Impulses stand die Frage: "Gerechte Bildung und eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik: Was ist machbar?"
Axel Plünnecke ist Leiter des Kompetenzfeldes Bildung, Zuwanderung und Innovation am Institut der deutschen Wirtschaft und Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Bildungs- und Familienökonomie mit den Schwerpunkten u.a. auf Bildungsgerechtigkeit und Fachkräftesicherung.
Impuls Prof. Dr. Horst Weishaupt, DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Frankfurt am Main
Abschließend richtete Prof. Dr. Horst Weishaupt vom DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Frankfurt am Main, seinen Blick auf die Möglichkeiten eines abgestimmten kommunalen Bildungsmanagements und ging entsprechend der Frage nach, ob und wie dieses zu einem Mehr an Bildungsgerechtigkeit beitragen kann.
Horst Weishaupt war Professor für Empirische Bildungsforschung in Erfurt (1991 bis 2004) und an der Bergischen Universität Wuppertal. Von 2008 bis 2013 leitete er die Abteilung "Steuerung und Finanzierung des Bildungswesens" am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF, jetzt: Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) in Frankfurt am Main. Vorrangige Forschungsthemen sind Bildungsdisparitäten, Bildungsplanung und -monitoring.
Fotos: Dirk Beichert | BusinessPhoto
Moderation
Peter Hanack, Frankfurter Rundschau
Peter Hanack ist Redakteur der Frankfurter Rundschau im Ressort Frankfurt und Rhein-Main. Seit vielen Jahren beobachtet und beschreibt er die Entwicklung des Bildungswesens in Hessen und moderiert Veranstaltungen namhafter bildungsrelevanter Institutionen.
Foren
Fachforen
Armutsbiografien vermeiden, Bildungsteilhabe ermöglichen
Das Fachforum "Armutsbiografien vermeiden – Bildungsteilhabe ermöglichen" befasste sich mit den Potenzialen lokaler Bildungslandschaften im Rahmen der kommunalen Armutsprävention. Der Aufbau von Sozialindizes, die Erstellung von Bildungswegweisern und zielgruppengerechte Bildungsberatung sind Möglichkeiten, um Bildungsteilhabe zu fördern und Brüche in Bildungsbiografien zu vermeiden.
Arme Städte, Arme Landkreise: Grenzen und Möglichkeiten kommunaler Handlungsspielräume
Unter dem Titel "Arme Städte, Arme Landkreise: Grenzen und Möglichkeiten kommunaler Handlungsspielräume" wurden in diesem Fachforum sowohl Aspekte zu kommunalen Haushaltslagen als auch die sozialen Lagen und Situationen der in ihr lebenden Bevölkerung behandelt. Wie eine Kommune mit diesen Herausforderungen umgehen kann und welche Potentiale, aber auch Grenzen sich daraus für ein auf Bildungsgerechtigkeit gerichtetes kommunales Bildungsmanagement und -monitoring ergeben, waren in diesem Fachforum Thema.
Praxisforen
Mehr als Lernen – Schule als sozialer Ort
Ganztägig arbeitende Schulen haben das Ziel, sowohl Betreuung als auch leistungs- und talentfördernde Angebote zur Verfügung zu stellen, um dadurch insbesondere benachteiligte Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern. Dieses Praxisforum hat sich mit aktuellen Entwicklungen in Hessen sowie Chancen und Herausforderungen bei der Gestaltung von Schule als sozialem Ort befasst. Dabei wurden auch Aspekte der interdisziplinären Zusammenarbeit unter Fachkräften und die Verzahnung von Schule und Kommunalverwaltung diskutiert.
Bildungsort Kommune – Initiativen als Innovationsmotoren non-formaler Bildungsangebote
Das zweite Praxisforum befasste sich mit dem Bildungsort Kommune im Lichte non-formaler Bildungsangebote und der sich möglicherweise verändernden Rolle in aktuellen Zeiten: Wie kann der Bildungsort Kommune mit außerschulischen und non-formalen Bildungsangeboten zu einem Mehr an Bildungsgerechtigkeit beitragen? Wie können Projekte und Initiativen kommunale Bildungsangebote erweitern und mehr Teilhabe ermöglichen? Und welche Rolle kann ein kommunales Bildungsmanagement hierbei spielen? Diese und weitere Fragen wurden in diesem Praxisforum erörtert.
Ergebnisse
Die Referenten und Impulsgeber des Tages haben zum Abschluss des Tages jeweils drei Kernforderungen skizziert, die aus ihrer jeweiligen Perspektive heraus zu einer gerechteren Bildung vor Ort führen würden. Zusammenfassend lassen sich folgende Forderungen festhalten:
Für einen effektiven Umgang mit Armut sei es unerlässlich, Kinder- und Familienarmut strukturell zu bekämpfen. Bei allen Beteiligten spiele dabei die Haltung eine essentielle Rolle: Sensibilität gegenüber (Bildungs-)Armut zu entwickeln sei daher als Voraussetzung für ein wertschätzendes und gelingendes Miteinander zu verstehen. Darüber hinaus müsse der Fokus auf benachteiligte Kinder gelegt werden; hierzu sollten sie eine frühe Förderung (U3) als Regelleistung erhalten.
Zur Erreichung von mehr Chancengerechtigkeit von Kindern und Jugendlichen sei es ferner nötig, in den verschiedenen Bildungseinrichtungen zentrale Weichenstellungen vorzunehmen. Hierzu zählten sowohl der qualitative als auch der quantitative KiTa-Ausbau, unter anderem in den Bereichen Sprachförderung und individuelle Förderung von Kindern mit schwierigeren Startbedingungen. Daran anknüpfend müssten Grundschulen zu hochwertigen Ganztagseinrichtungen mit multiprofessionellem Personal (aus den Bereichen Gesundheit, Sozialarbeit, IT, Psychologie) auf- und ausgebaut werden. Ziel müsse es hierbei sein, Orte der Bildung und Betreuung zu entwickeln, die einen Schwerpunkt auf Lern- und kulturelle Erfahrungen setzten. Insgesamt sollte eine längere gemeinsame Lernzeit angestrebt werden, die die verfrühte Teilung von Klassen und Stufen vermeide. Ein weiterer Schwerpunkt solle zudem auf sozialem und emotionalem Lernen im gesamten Bildungsdreieck von Lernenden, Lehrenden und Eltern liegen. Diese Fähigkeiten sollten zunehmend als wichtige soziale und kulturelle Ressource betrachtet werden. Insgesamt sollten sich alle Bildungsinstitutionen öffnen und vernetzen und die multiprofessionellen Teams gestärkt werden.
In finanzieller Hinsicht müsse mehr Geld in Bildung investiert werden, um die Infrastruktur massiv zu unterstützen. Ein besonderer Investitionsbedarf sei vor allem für Maßnahmen der inneren Entwicklung von Bildungseinrichtungen wie z. B. Fortbildungen und Unterrichtsentwicklungen festzustellen. Dabei solle die Mittelverteilung bedarfsorientiert erfolgen. Ein weiteres Ziel sei die Vernetzung regionaler Bildungsanbieter mit dauerhaft gesicherter finanzieller Basis (bspw. beim Thema Grundbildung für Erwachsene).
Auch die (inneren und äußeren) Rahmenstrukturen stellten einen entscheidenden Faktor für die Ermöglichung einer chancengerechteren Bildung dar. So sollte bereits im Denken aller Beteiligten die Möglichkeit des Scheiterns als "erlaubtes Ergebnis" verankert werden. Zudem müsse man sich starker auf die Chancen konzentrieren, die an bereits vorhandene Stärken anknüpften. Eine weitere Entwicklungschance liege in der Überwindung des "Fachbereichsdenkens" hin zu einer besseren Netzwerkarbeit und der Entwicklung langfristiger Strategien. Voraussetzung hierfür sei jedoch eine Verständigung auf gemeinsame Ziele und Methoden. Die Politik könne diese Prozesse durch klare Strukturen zu Rechtskreisen und Rahmenbedingungen unterstützen.
Programmübersicht
ab 09:30 Uhr: Ankommen/ Einwahl & Technikcheck
10:00 Uhr Begrüßung und Einführung
Transferagentur Hessen
10:15 Uhr Impulse und Diskussion aus drei Perspektiven (Online-Übertragung)
Wie muss eine gerechte Bildung aussehen?
Dr. Raphaela Schlicht-Schmälzle, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt am Main
Gerechte Bildung und eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik: Was ist machbar?
Prof. Dr. Axel Plünnecke, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Köln
Kann DKBM zu einem Mehr an Bildungsgerechtigkeit beitragen?
Prof. Dr. Horst Weishaupt, DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Frankfurt am Main
12:15 Uhr: Mittagspause
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13:15 Uhr: Fachforen
- I. Armutsbiografien vermeiden, Bildungsteilhabe ermöglichen
Prof. Dr. Sabine Toppe, Alice Salomon Hochschule Berlin & Kai Seibel, Volkshochschule Offenbach, Offenbach am Main - II. Arme Städte, Arme Landkreise: Grenzen und Möglichkeiten kommunaler Handlungsspielräume
Volker Kersting, ZEFIR | Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung, Ruhr-Universität Bochum
& Fabienne Weihrauch, Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Hessen e.V., Frankfurt am Main
14:30 Uhr: Kaffeepause
14:45 Uhr: Praxisforen
- I. Mehr als Lernen – Schule als sozialer Ort
Michael Schmitt, Serviceagentur Ganztägig Lernen, Frankfurt am Main
Bernadett Szarka, Schule Am Wall, Kassel - II. Bildungsort Kommune – Initiativen als Innovationsmotoren non-formaler Bildungsangebote
Maren Ranzau, Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen e.V., Frankfurt am Main
Dr. Stefan Neubacher, Kulturamt, Gießen
15:45 Uhr: Ergebnisse und Abschluss
16:00 Uhr: Ende & Ausklang
Gesamtmoderation: Peter Hanack, Frankfurter Rundschau