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Kommunale Verantwortung: Wege zur Bildungslandschaft

Mit Blick auf Chancengerechtigkeit nehmen Kommunen neben der infrastrukturellen Ausgestaltung zunehmend auch die inhaltliche Entwicklung der Bildungslandschaft in die Hand. Moderatorin Dr. Karin Becker, Transferagentur Kommunales Bildungsmanagement Hessen, fasste die für eine gelingende Steuerung von Bildung wesentlichen Aspekte zusammen: Notwendig sind der Aufbau von Strukturen und die Initiierung von Abstimmungsprozessen sowohl verwaltungsintern als auch mit externen Bildungsakteuren. Das Werkstattgespräch widmete sich der Frage, wie dies vor Ort umgesetzt wurde und wo die Kommunen heute stehen.

Stadt Rodgau – Bildungsaktive Mittelstadt

Gerrit Kratz, Leiter des Fachbereichs "Kommunales Bildungsmanagement" der Stadt Rodgau und zuständig für die Koordinierung aller bildungsrelevanten Aktivitäten, stellte die Entwicklungen in der Stadt Rodgau seit 2006 vor. Die Stadt Rodgau liegt im Dreieck Frankfurt - Hanau – Offenbach. Mit 45.000 Einwohnern belegt Rodgau bei der Einwohnerzahl Platz 14 in Hessen und ist die größte kreisangehörige Kommune im Landkreis Offenbach. Die Stadt steht nicht unter dem kommunalen Schutzschirm des Landes, betrachtet Bildung als Teil der Daseinsvorsorge und versteht sich als "bildungsaktive Mittelstadt". Auf Initiative des Ersten Stadtrats war Rodgau 2007 Mitunterzeichner der Weinheimer Erklärung und startete den sukzessiven Aufbau eines Kommunalen Bildungsmanagements. Dazu wurde ein partizipatives Gremium aus etwa 30 lokalen Bildungsexperten – das Bildungsforum "Rodgau bildet Zukunft" – ins Leben gerufen und ein Prozess der Entwicklung von Zielen, Maßnahmen und Abstimmung mit den politischen Gremien in Gang gebracht. Dabei folgte man einem Biografie-begleitenden Ansatz und wurde durch einen wissenschaftlichen Berater begleitet. Innerhalb der Verwaltung wurden 2011 alle Bildungsaufgaben in einem Fachbereich gebündelt, eine jährliche Bildungsmesse sorgt für die Transparenz der Angebote und ist Plattform für den Austausch. Etwa 90 bis 95 % der Maßnahmen aus den Handlungsplänen konnten bisher umgesetzt werden. Im Juli 2015 wurde die dritte Fortschreibung mit dem Schwerpunkt Nachmittagsbetreuung einstimmig von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet. Das Konzept ist eingebunden in eine Gesamtstrategie, die dem Bevölkerungsschwund entgegenwirken soll. Durch die Ausweisung von Baugebieten und gebührenfreien Kitas konnten auch bereits erste Zuzugsgewinne verbucht werden. Trotz der vielfältigen Erfolge sieht man in Rodgau im Kommunalen Bildungsmanagement "noch ein gutes Stück der Wegstrecke vor sich". Dabei liegen die größten Herausforderungen in der Freiwilligkeit dieser kommunalen Leistung und der damit einhergehenden komplexen Aufbauarbeit sowie in der Verstetigung von Kooperationsbeziehungen mit externen Bildungsakteuren, z. B. privaten Bildungseinrichtungen oder bestehenden Bildungsnetzwerken. Eine schwierige Aufgabe wird auch in der Entwicklung einer regelmäßigen Bildungsberichterstattung zur Überprüfung der Zielerreichung gesehen. Unterstützung holt sich die Stadt dafür bei der Transferagentur Hessen.

Bildungslandschaft Lahn-Dill

Patrick Möser, Fachbereichsleiter in der Abteilung vhs der Lahn-Dill-Akademie, koordiniert die Aktivitäten zur Entwicklung der Bildungslandschaft für den Lahn-Dill-Kreis und war für die Antragstellung im BMBF-Programm "Bildung integriert" zuständig.  Im Lahn-Dill-Kreis sind die Zuständigkeiten für Bildung auf zwei Dezernate verteilt. Zudem wurden in der Vergangenheit keine größeren Bildungsprojekte von der Kommune durchgeführt.

Als die operative (Verwaltungs-)Ebene den Wunsch nach besserer Vernetzung und mehr Transparenz äußerte, griff der Hauptamtliche Beigeordnete Stephan Aurand dies auf. Unter Einbindung eines externen Referenten wurde im Oktober 2014 die Auftaktveranstaltung für den Aufbau der "Bildungslandschaft Lahn-Dill" durchgeführt. Bei den 80 Teilnehmenden stieß dies auf gute Resonanz. Es wurde ein kommunaler Lenkungskreis gebildet, in dem die Leitungsebene aus der Verwaltung wie z. B. aus Jobcenter, Sozialamt, Integrationsgesellschaft und Volkshochschule sowie das Staatliche Schulamt vertreten sind. Außerdem wurden drei Kompetenzteams zu Phasen des Lebenslangen Lernens etabliert, wobei auch verwaltungsexterne Bildungsakteure wie die IHK oder die Handwerkskammer einbezogen wurden. Die Lahn-Dill-Akademie, ein Eigenbetrieb des Landkreises, hat dabei eine koordinierende Funktion übernommen. In den Gremien wurden Ziele entwickelt, die u. a. in den Antrag auf Förderung im BMBF-Programm "Bildung integriert" eingeflossen sind. Der Kreistag hat der darin formulierten Konzeption für eine "Bildungslandschaft Lahn-Dill" zugestimmt. Im Lahn-Dill-Kreis werden Vernetzung und Austausch innerhalb der Verwaltung bereits erfolgreich praktiziert, die Kommunikation zwischen den Kompetenzteams soll noch verbessert werden. Dies wird eine Aufgabe für das Bildungsbüro sein, das zentral in Wetzlar mit einer Zweigstelle in Dillenburg eingerichtet werden soll. Eine große Herausforderung liegt darin, dass die Flüchtlingsthematik zurzeit in großem Umfang die zeitlichen Ressourcen der Koordination bindet. Mit der Übernahme der Koordination durch das Bildungsbüro wird dieser Engpass jedoch beseitigt werden. Weitere Herausforderungen liegen vor allem in der großen Zahl von Akteuren im Landkreis, der daraus resultierenden Unübersichtlichkeit der Bildungslandschaft, der Vielzahl der Doppelstrukturen und im Fehlen von Netzwerken. Im nächsten Schritt soll mit einer Bildungsmesse und einem Stand auf dem Hessentag sowie mit Fachveranstaltungen für die Bildungsakteure vor Ort breiter über das Vorhaben informiert werden. Die Transferagentur wird den weiteren Entwicklungsprozess unterstützen.

Rege Diskussion zur Einbindung relevanter Akteure

Das Steuerungsverständnis im Kommunalen Bildungsmanagement beruht auf der Erkenntnis, dass Bildungsprozesse nicht hierarchisch "von oben" gesteuert werden können, sondern von verschiedenen Bildungsakteuren beeinflusst werden. Die anschließende Diskussion drehte sich deshalb zuerst um die Frage, wer einbezogen werden sollte und warum. Die Referenten empfahlen, unter Orientierung an den Phasen des Lebenslangen Lernens nach Multiplikator/innen mit eigenen Netzwerken zu suchen, unbedingt das Staatliche Schulamt einzubinden, Akteuren aus der Wirtschaft die Vorteile der Zusammenarbeit deutlich zu machen und, wenn möglich, die Unterstützung durch externe Experten einzuholen. Große Herausforderungen liegen im Zusammenspiel von Landkreis und kreisangehörigen Kommunen mit ihren unterschiedlichen Zielsetzungen und nicht übertragbaren Aktivitäten. Deshalb wurden in Rodgau von Anfang an die Weichen für das gemeinsame Gespräch gestellt, und der Kreisbeigeordnete hat den Vorsitz im Bildungsforum übernommen. Auch die verwaltungsinterne Zusammenarbeit macht nachhaltige Kooperationsstrukturen erforderlich, insbesondere dann, wenn die Zuständigkeit für Bildung auf mehrere Dezernate aufgeteilt ist. Die Stadt Rodgau ist den Weg der Zusammenlegung in einen Fachbereich gegangen, im Lahn-Dill-Kreis setzt man auf die gute Verständigung zwischen den Dezernaten und kann bereits nach einem Jahr positive Auswirkungen auf die Dauer von Entscheidungsprozessen feststellen. Insgesamt sind durch die Berichte aus den beiden Kommunen zwei unterschiedliche Herangehensweisen beim Aufbau von Kommunalem Bildungsmanagement deutlich geworden. Der Lahn-Dill-Kreis hat den Schwerpunkt auf die vollständige Einbindung aller verwaltungsinternen Akteure gelegt und Bildungsziele entwickelt. Die Stadt Rodgau lud lokale verwaltungsexterne Bildungsexpert/innen dazu ein, Handlungskonzepte für die Kommune zu entwickeln. In beiden Kommunen findet ein regelmäßiger Diskurs über die Bildungssituation statt, und Ziele bzw. Handlungspläne werden von der Politik verabschiedet. Das Kommunale Bildungsmanagement bildet hierbei die Schnittstelle zur Verwaltung und den Gremien. In beiden Kommunen sollen Politik und Verwaltung auch mit Hilfe von Daten dabei unterstützt werden, Bildung in der Kommune ressourcenbewusst und an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientiert zu steuern. In Rodgau wurde ein erster Bildungsbericht mit rein deskriptiver Funktion 2010 erstellt. Zahlreiche Hürden wie das Fehlen einer abgeschlossenen Statistikstelle und einer geeigneten Software, die Regelungen zum Datenschutz oder der Mangel an verfügbaren kleinräumigen Daten, machen es der Kommune aber schwer, eine regelmäßige Berichterstattung aufzubauen. Der Lahn-Dill-Kreis will ein Bildungsmonitoring aufbauen und dann im ersten Bildungsbericht vorrangig den Stand im Schwerpunkt "Bildungsangebote für Neuzugewanderte" beschreiben.

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