Non-formale Bildung in der Kommune: Akteure vernetzen, Räume gestalten, Teilhabe stärken
Format: Dialogforum
Ort: Frankfurt am Main
Datum: 03.06.2025
Uhrzeit: 10:00-16:00 Uhr
Non-formale Bildung umfasst die Bildung und Entwicklung von Menschen außerhalb formaler Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten. Sie findet in einer Vielzahl kommunaler Kontexte statt und setzt sich zum Ziel, die persönliche, soziale und berufliche Entwicklung zu fördern. Damit stellt non-formale Bildung eine zentrale Säule der Bildungsentwicklung selbst und kommunaler Handlungsbereiche dar. Zugleich gestaltet die non-formale Bildung als Querschnittsthema die Bereiche Ganztag, Integration & Inklusion, aber auch BNE, Demokratieförderung und kulturelle Bildung sowie lebenslanges Lernen (mit).
Im Dialogforum 2025 widmeten wir uns daher den Akteuren und Orten der non-formalen Bildung und ihrer Sichtbarmachung. Gemeinsam erörterten wir die Frage, inwiefern sich durch die Zusammenarbeit von non-formalen und formalen Bildungseinrichtungen Synergien ergeben und wie ein kommunales Bildungsmanagement dazu beitragen kann, diese Bildungsangebote sinnvoll zu unterstützen und zu vernetzen.
Impuls: Non-formale Bildung: unterschätzt, vielseitig, wirkungsvoll
Prof. Dr. Marc Schulz, Technische Hochschule Köln
Oft bleibt sie im Schatten formaler Bildungsinstitutionen – dabei leistet non-formale Bildung einen unverzichtbaren Beitrag zu lebenslangem Lernen, individueller Entwicklung und gesellschaftlicher Teilhabe. Non-formale Bildung umfasst eine vielfältige Institutionenlandschaft, deckt unterschiedliche Themenbereiche ab und wird an zahlreichen Orten angeboten. Der Impulsvortrag von Prof. Dr. Schulz regte dazu an, die Potenziale non-formaler Bildung neu zu betrachten – in ihrer Eigenständigkeit, aber auch im Zusammenspiel mit formalen Strukturen.
✓ Ist non-formale Bildung nachrangig zur formalen Bildung?
Seit ihrem begrifflichen Aufkommen in den 1960er-Jahren haftet der non-formalen Bildung der Charakter des Ergänzenden und Kompensatorischen an. Dadurch wird sie häufig als sekundär eingestuft – mit der formalen Bildung als vorrangigem Bezugsrahmen. Aktuelle Diskussionen etwa zum Ganztag zeigen, dass diese Betrachtungsweise noch nicht überwunden ist.
✓ Non-formales Lernen findet überall statt!
Auch in Settings formalen Lernens finden non-formale und informelle Lernprozesse statt. Lernen ist nicht ausschließlich das Ergebnis strukturierter Vermittlung, sondern geschieht auch durch soziale Interaktion, persönliche Erfahrungen und informelle Dynamiken. Steuerbar sind vor allem die Rahmenbedingungen und Räume, in denen Bildung stattfindet, beispielsweise durch die Gestaltung von Lernumgebungen, pädagogischen Haltungen oder institutionellen Strukturen.
✓ Engagement wird erlernt und ist sozial ungleich verteilt.
Verschiedene Formen des Engagements können, insbesondere im Kindes- und Jugendalter, erlernt und erprobt werden. Wenn junge Menschen frühzeitig Zugang zu Engagement erhalten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auch in späteren Lebensphasen engagieren. Solche Erfahrungen und das Wissen um Engagement als Möglichkeit sind jedoch ungleich verteilt und hängen stark von der sozialen Herkunft ab.
✓ Die Perspektive junger Menschen und kommunaler Akteure birgt großes Potenzial.
Die systematische Einbindung von jungen Menschen und kommunalen Akteuren ist für eine qualitativ hochwertige und nachhaltig wirksame non-formale Bildung notwendig. Ihre Perspektiven können wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft geben und sollten ernst genommen werden.
✓ Drei Schlussfolgerungen die für den Bereich der non-formalen Bildung berücksichtigt werden sollten.
a) Eine angemessene Infrastruktur des non-formalen Bildungsbereichs benötigt eine dauerhafte Finanzierung durch die Kommunen. Statt projektbezogener Einzelförderung braucht es eine integrierte Betrachtung und fachliche Anerkennung.
b) Der Beitrag non-formaler Bildung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt muss stärker hervorgehoben werden – in der Öffentlichkeit, in der Politik und in den Medien sowie durch finanzielle und strukturelle Unterstützung.
c) Gleichzeitig sollten sowohl lokale Homogenisierungsvorstellungen als auch die technokratische Steuerbarkeit von Bildung kritisch hinterfragt werden.
Dialog 1: Zwischen Kooperation und Trennung: Schnittstellen von formaler und non-formaler Bildung
mit Susanne Hilf, Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen; Martin Jatho, Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Landesverband Hessen e.V. (ANU Hessen e.V.) & Miriam Schmitt, Hochschule Rhein-Main
Die Podiumsdiskussion widmete sich den Fragen wie können Schulen und non-formale Bildungsangebote – etwa aus Kultur, Sport, Medien oder Umweltbildung – wirkungsvoll miteinander verknüpft und auch für den Ganztag nutzbar gemacht werden? Wie kann non-formale Bildung strategisch in die kommunale Bildungslandschaft integriert werden, um Synergien mit formalen Bildungsangeboten zu schaffen?
✓ Ganztag: Risiko oder Chance für die non-formale Bildung?
Ein zentrales Spannungsfeld ergibt sich aus der Tatsache, dass die zeitlichen Kapazitäten junger Menschen begrenzt sind. Dadurch entsteht das Risiko einer Konkurrenzsituation: Freizeit, Engagement in Vereinen, kulturelle oder umweltpädagogische Angebote könnten zugunsten schulischer Ganztagsstrukturen zurückgedrängt werden. Gleichzeitig eröffnet sich hier jedoch auch eine bedeutende Chance: Non-formale Bildungsangebote könnten ein integraler Bestandteil des Ganztags werden und einen Beitrag zur ganzheitlichen Entwicklung junger Menschen leisten. Gerade in Bereichen wie der kulturellen Bildung oder der Umweltbildung schwankt die Perspektive aktuell „zwischen Hoffen und Bangen“. Doch trotz aller Unsicherheiten über die zukünftige Rolle non-formaler Bildungsakteure im Ganztag überwiegt ein vorsichtiger Optimismus.
✓ Was kann DKBM in diesem Feld leisten?
Sektoren der non-formalen Bildung – sei es kulturelle oder Umweltbildung – sind eine wertvolle Ressource für die Bildungslandschaft. Es gibt eine große Zahl von freiwillig Engagierten sowie ausgebildeten pädagogischen Fachkräften in diesem Bereich. Um diese Akteure und ihre Ressourcen nachhaltig und zielgenau in die Bildungslandschaft und den Ganztag einzubinden, kann das datenbasierte kommunale Bildungsmanagement (DKBM) ein wichtiger Hebel sein und einen Überblick über die Angebote und Akteure der Bildungslandschaft schaffen.
✓ Koordination non-formaler Bildungsangebote im Quartier
Die verschiedenen Sektoren der non-formalen Bildung können sich wechselseitig fördern und Synergien schaffen. Auch hier kann das DKBM unterstützen, indem es seine Kompetenzen im Bereich der Koordinierung von Bildungsakteuren einsetzt. In diesem Zusammenhang sollten auch Kooperationen mit Quartiersbüros und Quartiersentwicklungen in Betracht gezogen werden
✓Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis
Der Bund soll für rechtliche Klarheit bei Honorarkräften sorgen, während das Land Hessen ein umfassendes pädagogisches Konzept für den Ganztag entwickeln soll. Zudem sind die Kommunen gefordert, ressortübergreifend zu denken, non-formale Bildung aktiv zu koordinieren und insbesondere im ländlichen Raum für Mobilität zu sorgen. Und nicht zuletzt: Junge Menschen brauchen auch im Ganztag Freiräume, in denen sie sich ausprobieren, entfalten und einfach sie selbst sein können.
Dialog 2: Vereine als Bildungsorte: Wie Sport, Kultur und Engagement Wissen vermitteln
mit Jana Priemer, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung & Dr. Harald Seehausen, SG Bornheim 1945 e.V. Grün-Weiss
In dieser Dialogrunde wurde über die Bedeutung von Vereinen und zivilgesellschaftlichen Initiativen diskutiert und erörtert, wie sie die Bildung vor Ort mitgestalten können. Jana Priemer erläuterte, was Zivilgesellschaft überhaupt ist und wie Kooperationen zwischen Vereinen, Schulen und anderen Bildungsakteuren zu nachhaltigem Erfolg führen können. Dr. Harald Seehausen stellte das Praxisbeispiel der SG Bornheim vor und zeigte, wie es dem Sportverein gelang, ein übergreifendes Bildungsangebot zu schaffen und sich als fester Bestandteil der kommunalen Bildungslandschaft zu etablieren.
✓ Zivilgesellschaft ist ein Bildungsakteur
Die Zivilgesellschaft ist ein zentraler Akteur im Bereich der non-formalen Bildung. Allerdings sollte die Rolle der Vereine in diesem Bereich noch sichtbarer werden und auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen sollten mitgedacht werden. Bei der Diskussion wurde deutlich, dass sich Vereine selbst oftmals nicht als Bildungsakteure wahrnehmen. Diese Erkenntnis kann ein Ansatzpunkt für die Ansprache sein und insbesondere für die Beteiligung von Vereinen am Ganztag relevant werden.
✓ Kooperationspotentiale mit zivilgesellschaftlichen Bildungsakteuren sind noch nicht ausgeschöpft
Sportvereine nehmen als zivilgesellschaftliche Akteure durch ihre Rolle im Ganztag eine zentrale Stellung ein. Dadurch sind sie oft Teil von Kooperationsstrukturen zwischen Kommunalverwaltungen und Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus besteht für Schulen und Kommunalverwaltungen Kooperationspotenzial mit weiteren zivilgesellschaftlichen Bildungsakteuren, beispielsweise aus dem Bereich der kulturellen Bildung.
✓ Die Relevanz des Ehrenamts
Wertschätzung ist wichtig, um das Ehrenamt zu fördern. Ehrenamtliches Engagement ist das Rückgrat vieler Vereine und entscheidend für deren Fortbestand. Dabei bringt das Ehrenamt Menschen unterschiedlicher Generationen zusammen und schafft ein starkes, generationenübergreifendes Miteinander. Das entstehende Netzwerk wirkt als Multiplikator und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig.
✓ Kinder und Jugendliche beteiligen
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig. Initiativen wie Kinderparlamente und Beteiligungsprozesse fördern Inklusion, demokratische Werte und aktives Mitgestalten. Erfahrungen der SG Bornheim zeigen, wie Sport als wichtiger Raum für gelebte Demokratie und gemeinsames Lernen fungieren kann. Darüber hinaus bietet die Verknüpfung von Schule und Sport großes Potenzial, das noch weiter ausgebaut werden kann. Qualitative Methoden der Bedarfserhebung können der Qualitätsverbesserung dienen, indem sie ein Monitoring ergänzen und bereichern.
Dialog 3: Neue Bildungsräume für lebenslanges Lernen: Kooperationen und innovative Formate
mit Marta Slusarek, Hessischer Volkshochschulverband; Torsten Denker, Leiter vhs Landkreis Gießen & Silke Kaiser, Bildung integriert im Landkreis Marburg-Biedenkopf
In der dritten Dialogrunde gab es Einblicke in die Entwicklung neuer Lernorte und nachhaltiger Bildungsangebote. Als Beispiel wurde das Projekt "Innovative Lernorte und -formate aus der Perspektive der kulturellen Bildung" des Hessischen Volkshochschulverbands vorgestellt. Daran beteiligt ist unter anderem die vhs des Landkreises Gießen mit dem neuen Lern-, Tagungs- und Bewegungszentrum "BERD" in Lich-Eberstadt. Es steht beispielhaft für einen modernen Bildungsort. Darüber hinaus berichtete der Landkreis Marburg-Biedenkopf, wie kommunales Bildungsmanagement vorhandene Lernorte, wie Gemeinde- und Schulbibliotheken, einbinden und stärken kann.
✓ Kooperationen müssen gelebt werden
Bildungskooperationen müssen gelebt werden. Das bedeutet vor allem eine Zusammenarbeit in (non-formalen) Bildungseinrichtungen – und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern aktiv und kontinuierlich im Alltag. Durch eine echte Kooperation zwischen Schulen, Universitäten und anderen Bildungsträgern können innovative Lernformen und -inhalte entstehen. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind Vertrauen und ein starkes Engagement aller Beteiligten erforderlich.
✓ Netzwerke müssen gepflegt werden
Erfolgreiche Verbindungen müssen nicht nur aufgebaut, sondern müssen darüber hinaus auch kontinuierlich gepflegt werden, um langfristig zu bestehen. Durch regelmäßige Interaktion, Austausch und das Teilen von Ressourcen kann die Qualität und der Nutzen von Netzwerken erhalten und sogar gesteigert werden. Dabei ist es entscheidend, auf gegenseitigen Respekt und Vertrauen zu setzen, um die Kooperationen lebendig und funktional zu halten.
✓ Es braucht einen langen Atem
Erfolgreiche Kooperationen in der Bildung entstehen nicht über Nacht, sondern erfordern langfristige Planung und kontinuierliche Bemühungen. Der Prozess ist oft von Herausforderungen, Kompromissen und der Notwendigkeit eines stetigen Dialogs geprägt, was Geduld und Ausdauer verlangt. Nur durch langfristiges Engagement und das Überwinden von Anfangshürden können nachhaltige und fruchtbare Bildungsnetzwerke entstehen.
Dialog im Raum
Orte, die bilden: Qualität und Kooperation in kommunalen Bildungslandschaften
Walk & Talk: Museum als exemplarischer Bildungsort
Während eines Rundgangs durch das Museum erkundeten die Teilnehmenden in Kleingruppen, welche Strukturen und Ansätze sich auf andere non-formale Lernorte übertragen lassen. Leitfragen regten sie dazu an, Gemeinsamkeiten mit anderen Bildungsorten zu erkennen, Qualitätsmerkmale guter Bildungsangebote herauszuarbeiten und eigene Handlungsmöglichkeiten zur Mitgestaltung solcher Orte zu reflektieren. Ihre Beobachtungen hielten sie auf Kärtchen fest. Der Austausch diente der Anregung, dem Transfer in die Praxis und der Vernetzung untereinander.
Let’s go! Netzwerke aktivieren
Im Rahmen eines Speeddatings kamen die Teilnehmenden in kurzen Gesprächsrunden miteinander ins Gespräch. Ziel war es, Erfahrungen und Ideen auszutauschen, Kooperationsansätze zu erkennen und sich untereinander zu vernetzen. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie eine Zusammenarbeit bei der Gestaltung non-formaler Bildungsorte aussehen könnte.
Mind-Opener: Bildung weiterdenken – Hybride Schule als Impuls für die Zukunft
mit Dr. Mandana Sedighi, Karlsruher Institut für Technologie
Am Ende der Veranstaltung wurde der Blick nach vorn gerichtet: Was wäre, wenn Bildung nicht an den Grenzen institutioneller Räume endet, sondern sich aktiv in den Alltag und in öffentliche Räume hinein erweitert? In ihrem Vortrag stellte Dr. Mandana Sedighi ein innovatives Konzept vor, wie Schulen als hybride Systeme gedacht und gestaltet werden können. Sie setzte Impulse für zeitgemäße Bildungsarchitektur, gesellschaftliche Teilhabe und ein erweitertes Bildungsverständnis.
✓ Bildung braucht neue Räume – jenseits institutioneller Grenzen
Klassische Schulgebäude stoßen oft an ihre funktionalen und sozialen Grenzen. Das Konzept der hybriden Schule denkt Bildung neu: Lernen kann und soll auch dort stattfinden, wo Menschen sich im Alltag begegnen – im öffentlichen Raum, in kulturellen Einrichtungen oder in der Nachbarschaft. Die üblichen linearen Aufgaben einer Schule gehen dabei in einem funktional gemischten und veränderbaren Raum auf, in dem sich weitere Nutzende befinden. So wird Bildung zugänglicher und stärker in das gesellschaftliche Leben eingebettet.
✓ Räume prägen pädagogische Prozesse
Architektur ist nie neutral. Wie Schulgebäude gestaltet sind, beeinflusst maßgeblich, wie in ihnen gelernt, gearbeitet und miteinander umgegangen wird. Forschungsergebnisse zeigen, dass flexible, offene und vielseitig nutzbare Räume pädagogische Innovationen ermöglichen und gesellschaftliche Teilhabe fördern können. Schularchitektur wird somit zum aktiven Gestaltungselement moderner Bildung.
✓ Hybride Schulen als Impuls für andere Bildungsräume.
Das innovative hybride Konzept geht über Schulen hinaus: Auch Bibliotheken, Universitäten oder ungenutzte Gebäude können zu hybriden Lernorten umgestaltet werden. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven für eine zukunftsfähige Bildungslandschaft, die auf Kooperation, Offenheit und räumlicher Vernetzung basiert.
Bildergalerie
Hier noch mehr fotografische Eindrücke vom Dialogforum!
Bilder von Jay Pineda / involas